Wir gedenken

Systemtreue, Mitläufer, Widerständige: Auch die Immanuelgemeine bildete im Nationalsozialismus die Widersprüche und gebrochenen Lebensläufe dieser Zeit ab. Mit Gedenktafeln vor der Kirche und im Vorraum gedenken wir dreier Pfarrer und ihrer verschiedenen Wege.  

Johannnes Schwartzkopff (1889-1968)

Pfarrer Johannes Schwartzkopff war Mitbegründer der Bekennenden Kirche in Mecklenburg und ein Freund Ernst Barlachs. Er wurde durch Mitglieder der nationalsozialistischen Glaubens­bewegung „Deutsche Christen" (DC) aus seinem Amt als Domprediger zu Güstrow 1934 entfernt und von einem Gericht verurteilt.

Nach dem Tod von Pfarrer Walter Häfele (1900-1935), Mitglied des Bruderrates der Bekennenden Kirche und Pfarrer an der Immanuel­kirche, konnte durch den Einsatz von Gemeindehelferin Hildegard Kurzawa und 709 Unterstützenden der Bekenntnisgemeinde Immanuel die Berufung eines DC-Pfarrers verhindert werden.

Sie erreichten, dass 1937 Pfarrer Johannes Schwartzkopff an die Immanuelkirche berufen wurde. Hier setzte er sich für die durch die grausamen Rassengesetze Verfolgten ein. Er taufte und konfirmierte in dieser Kirche jüdische Kinder, um sie vor Verfolgung zu schützen. Eines von ihnen war Sigmar Schollak (1930-2012) aus der Christ­burger Straße 31, Autor des Kinderbuches „Das Mädchen aus Harrys Straße" (Berlin 1978).

Aufgrund seines Mutes und trotz mehrfacher Verhaftungen gelang es Johannes Schwartzkopff - zusam­men mit weiteren Pfarrern der Bekennenden Kirche, seiner Ehefrau Helene, seiner Schwester Oberin Elisa­beth Schwartzkopff (Haus Gottesschutz), Gemeindehelferin Hildegard Kurzawa und der Bekenntnisgemeinde Immanuel -, Verfolgte vor der Deportation zu schützen und ihnen so das Leben zu retten.

Johannes Schwartzkopff setzte sich vergebens für seinen angeklagten Amtsbruder Pfarrer Friedrich Heinrich Klein (Pfarrer an der Immanuelkirche) ein, der 1943 wegen einer homosexuellen Beziehung nach § 175 StGB zu drei Jahren Haftstrafe verurteilt und aus dem kirchlichen Dienst entfernt wurde.

Walter Häfele und Friedrich Klein

Die Predigt von Pfarrer Mark Pockrandt zur Enthüllung der Gedenktafel für Walter Häfele und Friedrich Klein können Sie hier nachlesen, es gibt auch eine mit ausführlichen Quellen annotierte Version (PDF).

Walter Wilhelm Erwin Häfele (1900-1935)

Lebenslauf

  • 28. August 1900 geboren in Karlsruhe
  • 1919 Abitur Bismarck-Gymnasium Karlsruhe
  • 1919–1923 Studium der Theologie in Marburg und Heidelberg, Vikar in Mannheim und Leimen
  • 11. November 1923 Ordination
  • 1. Dezember 1925 heiratete er Luise Ullrich (1899–1958)
  • Pfarrvikar in Rittenweier/Odenwald und Emmendingen
  • 1929 Pfarrer in Niklashausen (bei Tauberbischofsheim)
  • 27. Mai 1930 setzte er sich bei der Pfarrerwahl in Immanuel mit 55:13:1 Stimmen durch
  • 28. September 1930 Einführung in der Immanuelkirche Berlin Prenzlauer Berg
  • 1930–1935 Pfarrer an der Immanuelkirche
  • 1933 Mitglied im Pfarrernotbund und in der Kirchenleitung der Bekennenden Kirche
  • 16. April 1934 unterzeichnete er das Protest-Flugblatt der Bekennenden Kirche, deshalb mehrmals in Gestapo-Haft, Beginn von schweren Krankheitssymptomen
  • 6. Februar 1935 mit 34 Jahren gestorben in Berlin
  • 11. Februar 1935 beigesetzt auf dem Südwestkirchhof Stahnsdor

Literatur

Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Prenzlauer Berg und Weißensee. Schriftenreihe der Gedenkstätte Deutscher Widerstand über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945 Bd. 12, Berlin 2000, 2. Auflage Berlin 2015, Seite 273–278

Hans-Rainer Sandvoß: »Es wird gebeten, die Gottesdienste zu überwachen ...« Religionsgemeinschaften in Berlin zwischen Anpassung, Selbstbehauptung und Widerstand von 1933 bis 1945, Berlin 2014, Seite 263–267

Mark Pockrandt: Kampf am Königstor. Die kirchenpolitische Entwicklung der 1920er und 30er Jahre, in: Die Immanuelkirche Prenzlauer Berg. Kirchliches Leben seit 1893, hg. v. Mark Pockrandt/Uta Motschmann, Berlin 2018, Seite 34–53

Friedrich Heinrich Klein (1905-1945)

Lebenslauf

  • 3. August 1905 geboren in Homburg/Saargebiet
  • 2. April 1925 Abitur Humanistisches Gymnasium Schweinfurt
  • 1925–1929 Theologiestudium in Tübingen und Berlin
  • 1929 Predigerseminar Landau
  • 23. Februar 1930 Ordination in der Stiftskirche Landau
  • 1. März 1930–1932 Stadtvikar in Oggersheim
  • 1. Mai 1932–1934 Aushilfsgeistlicher in Niederbexbach
  • 1. Juni 1933 Eintritt in die NSDAP, Mitglieds-Nr. 2689946 (Bundesarchiv R 9361-IX/20600623)
  • 1. Juli 1934 Pfarrer in Glanmünchweiler
  • 24. August 1934 Antrag auf Studienurlaub für Medizinstudium in Berlin
  • 1. November 1934 Umzug nach Berlin
  • 20. Juni 1935 setzte sich bei der Pfarrerwahl in Immanuel mit 50:1 Stimmen durch
  • 1. September 1935 Einführung in der Immanuelkirche Berlin-Prenzlauer Berg
  • 1935–1943 Pfarrer an der Immanuelkirche
  • 1941 eingezogen zum Kriegsdienst
  • 15. Dezember 1941 wurde er vorläufig festgenommen; Vorwurf: Verstoß gegen §175 RStGB
  • 19. März 1942 freigesprochen aus Mangel an Beweisen (bestätigt am 7. April 1942)
  • 27. November 1942 ins Berliner Wehrmachtsgefängnis Lehrter Straße 58 gebracht, anschl. ins Gefängnis Fort Zinna in Torgau
  • 20. Januar 1943 nach Aufhebung des Freispruchs verurteilt zu drei Jahren Gefängnis
  • 26. Februar 1943 deshalb vom Evangelischen Konsistorium der Mark Brandenburg aus dem kirchlichen Dienst entfernt mit Aberkennung seiner geistlichen Rechte, Verlust sämtlicher Dienstbezüge und Versorgung sowie der Befugnis zur Führung der Amtsbezeichnung
  • 1944 in einem Strafbataillon an der Ostfront seit 1. August vermisst im Raum Rumänien
  • 1975 für tot erklärt zum 31. Dezember 1945
  • 1. September 2020 in der Immanuelkirche rehabilitiert durch Bischof Dr. Christian Stäblein (hier eine Aufzeichnung des Gottesdienstes auf Youtube)

Literatur

Georg Biundo: Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der Reformation (Pfälzisches Pfarrerbuch) (Genealogie und Landesgeschichte; Band 15), Neustadt an der Aisch 1968, Seite 235

Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Prenzlauer Berg und Weißensee. Schriftenreihe der Gedenkstätte Deutscher Widerstand über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945 Bd. 12, Berlin 2000, 2. Auflage Berlin 2015, Seite 275–277

Mark Pockrandt: Kampf am Königstor. Die kirchenpolitische Entwicklung der 1920er und 30er Jahre, in: Die Immanuelkirche Prenzlauer Berg. Kirchliches Leben seit 1893, hg. v. Mark Pockrandt/Uta Motschmann, Berlin 2018, Seite 34–53

Friedhelm Hans: Wir haben hier keine bleibende Stadt. Schicksale einiger aus der Pfalz abgewanderter Pfarrer aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde (89. Jahrgang 2022), Seite 160–162.

Quellen und Dokumente (PDF)

Flugblatt der Leitung der Bekennenden Kirche vom 16. April 1934 mit Unterschrift von Pfarrer Walter Häfele (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Mappe Jubiläum)

Zeugnis von Professor Wolf Häfele vom 20. März 1989 über seinen Vater Walter Häfele (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Mappe Jubiläum)

Traueranzeige für Pfarrer Walter Häfele. Immanuel-Bote 1935 (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Gruppe 3, Sign. 3531/1)

Bericht über die Trauerfeier für Pfarrer Walter Häfele. Immanuel-Bote 1935 (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Gruppe 3, Sign. 3531/1)

Aktennotiz zum Tod von Luise Häfele. Immanuel-Chronik 1958 (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Gruppe 1, Sign. 110/3)

Fotografien von Pfarrer Walter Häfele (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Mappe Jubiläum):  Querformat, Hochformat

Andacht von Pfarrer Friedrich H. Klein. Immanuel-Bote 1936/37 (Quelle: Immanuel-Gemeindearchiv, Gruppe 3, Sign. 3531/1)

Wie es weiterging… Theodor Johannes Schwartzkopff (1889–1968). Pastor der Bekennenden Kirche, Domprediger zu Güstrow. Von Archivarin Sarah Orland (mit freundlicher Genehmigung der Autorin veröffentlicht)

Pfarrer Walter Häfele

Walter Häfele